Rollstuhlfahrt ins Mittelalter

Bei drei inklusiven Stadtführungen zeigt sich Duderstadt am 22. April barrierefrei. Trotz viel Erfahrung mit Inklusion, handelt es sich um eine Premiere für die Aktionsmonate Inklusion im Bistum Hildesheim.

Ob Leute im Rollstuhl, mit Sehbehinderung oder Gehörlose: Scharfrichter Hans Zinke alias Stadtführer Claus Ludwikowski hat schon so manche individuell angepasste Zeitreise ins Mittelalter angeleitet. „Inklusion ist bei uns schon lange ein Thema“, beteuert Ludwikowski. Auch sein Büro in einem oberen Stockwerk eines der ältesten Rathäuser Deutschlands, dessen Baugeschichte mindestens bis ins 14. Jahrhundert weist, ist längst ohne Treppenstufen erreichbar.

Sophie Kahlmeyer und Claus Ludwikowski zeigen auf einem Tablett die 360-Grad-Ansicht der Folterkammer im Historischen Rathaus Duderstadt. | Foto: Johannes Broermann / cps
Sophie Kahlmeyer und Claus Ludwikowski zeigen auf einem Tablett die 360-Grad-Ansicht der Folterkammer im Historischen Rathaus Duderstadt.
| Foto: Johannes Broermann / cps

Der Mitarbeiter der Duderstädter Stadtverwaltung wurde vor fast acht Jahren als Gästeführer ausgebildet und tritt seitdem als Zinke auf. Einen Scharfrichter mit diesem Namen hat es vor rund 500 Jahren tatsächlich in Duderstadt gegeben. „Und ich hatte schon immer ein Faible für das Mittelalter und Foltermethoden“, erzählt Ludwikowski schmunzelnd. Die „Henkerstour“ hat er sich dann auch selbst zusammengestellt. Entsprechende Kleidungsstücke und passende Spitzschuhe ließ er als Kostüm anfertigen.

Während so einer Scharfrichter-Führung darf die historische Folterkammer im Rathaus nicht fehlen. Allerdings liegt diese einige Treppenstufen tiefer als das Erdgeschoß. Wer dorthin nicht hinabsteigen kann, konnte bisher nur von oben reinschauen. Neuerdings verfügt Duderstadt aber über eine 360-Grad-Aufnahme, die als Film auf das eigene Smartphone geholt werden kann, auch Leihgeräte sind dafür verfügbar. Während Scharfrichter Zinke seine Anekdoten erzählt, kann die Folterkammer so zumindest virtuell betreten werden.

Auch für andere Stationen der inklusiven Stadtführungen hat sich das Team der Duderstädter Touristinformation „sehr genau Gedanken gemacht“, berichtet Ludwikowski. Beispielsweise seien Steigungen so gewählt, dass sie leicht zu bewältigen sind. Ein Praktikant, der selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist, habe die neuen Routen erprobt. „Wir hatten schon länger die Idee, solche Touren vorzubereiten“, sagt Tourismus-Fachdienstleiterin Sophie Kahlmeyer. Bei zahlreichen Stadtführungen seien Erfahrungen gesammelt worden. Bisher waren es aber immer angemeldete Gruppen, bei denen die jeweilige Beeinträchtigung zuvor bekannt war. Die Herausforderung bei inklusiven Stadtführungen wird darin bestehen, verschiedensten Beeinträchtigungen gerecht zu werden.

Anmeldung nötig

Zum Tag der Erde und als Beitrag zum Abschluss des Godehardjahres werden am 22. April insgesamt 60 Plätze bei inklusiven Stadtführungen in Duderstadt angeboten. Wer teilnehmen möchte, muss sich per E-Mail: info@duderstadt.de oder Telefon: 0 55 27 / 841 200 bei der Gästeinformation Duderstadt anmelden. Treffpunkt ist jeweils in der Markstraße 66 vor dem Historischen Rathaus. Die Heinz-Sielmann-Stiftung wird dann dort auch ihre neuen Wanderrollstühle „Joelette“ zum Austesten präsentieren. Mit einem Infostand wird das Duderstädter Bündnis für Inklusion vertretend sein, bestehend aus Stadt Duderstadt, Lebenshilfe Eichsfeld, Vinzenz von Paul Schule Duderstadt und Caritas Südniedersachsen.

Drei Führungen stehen zur Auswahl:

  • 10.00 Uhr inklusive Scharfrichter-Führung: Im Jahr 1524 ist „Meister Hans“ als Scharfrichter seit 25 Jahren für die Stadt Duderstadt tätig und weiß einiges über seinen nicht ganz alltäglichen Beruf zu berichten. 
  • 10.30 Uhr inklusiver Stadtrundgang: Verborgene Winkel, faszinierende Details, die schönsten Sehenswürdigkeiten und Geschichten vergangener Zeiten sind bei dem geführten Stadtrundgang erlebbar.
  • 14.00 Uhr inklusive Wallführung zum Tag der Erde: Der Tag der Erde soll die Wertschätzung für Umwelt und Natur stärken. Der Erlebnisraum auf dem Duderstädter Wall wurde im Wandel der Zeiten von einer starken Befestigungsanlage zu einem wichtigen Lebensraum für Flora und Fauna.