MDPV: Die unterschätzte Gefahr der synthetischen Drogen

Mit einer Infoveranstaltung kürzlich in der Caritas-Kontaktstelle Duderstadt hat die Suchtberatung der Caritas Südniedersachsen Diskussionen über Modedrogen ausgelöst. Hier einige Fakten zum Nachlesen:

Was ist „MDPV“, in der Drogen-Szene auch unter „Flex, Flakka, Super Coke, Cloud Nine, Monkey Dust, Peevee“ bekannt?

Der Stoff ist ein so genanntes „Research Chemical“, ein synthetisches Cathinon, chemisch verwandt mit dem körpereigenen Adrenalin und dem als Party-Droge seit den 1990er Jahren bekannten Ecstasy, also ein Stimulans. Es ist die künstliche Nachbildung des Wirkstoffes der Khat-Pflanze, die in Ost-Afrika und der arabischen Halbinsel beheimatet ist und dessen Blätter dort schon lange verwendet werden. Wie bei Kokain ist die Wirkung des reinen Wirkstoffes aber viel extremer, auch in seinen schädlichen Nebenwirkungen, als wenn man ihn in seiner Pflanze zu sich nimmt.

MDPV ist im offenen Internet leicht erhältlich unter den Decknamen „Badesalze“, „Spice“, „Kräutermischungen“, man muss sich zum Erwerb nicht einmal ins Darknet begeben. Im Internet werden die Substanzen günstig unter harmlos, lustig oder „cool“ wirkenden Namen und Bildern angeboten, um junge Menschen anzusprechen. Sie sind auch unter dem Stichwort „legal highs“ bekannt, tatsächlich aber seit 2014 gesetzlich verboten.

 

Friederike Smilge und Jens Klie arbeiten in der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention im Caritas-Centrum Duderstadt. | Foto: Johannes Broermann / cps
Friederike Smilge und Jens Klie arbeiten in der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention im Caritas-Centrum Duderstadt.
| Foto: Johannes Broermann / cps

Mehr als 1500 Wirkstoffe sind bekannt, die chemischen Mischungen in den Produkten wechseln ständig, die chemische Struktur gleich äußerlich einem Cathinon (oder Cannabis), damit es im Gehirn anbinden kann, aber keiner weiß, was sich wirklich darin befindet. Ein Klient, der seines Wissens nach „Spice“, vielleicht also synthetische Cannabinoide, konsumiert hatte, berichtete uns, er habe nach einem „kalten Entzug“ zuhause die einfachsten Dinge wie Gehen, Sprechen, Zähneputzen mühsam neu erlernen müssen.

Zuerst haben wir 2018 von der „Flexer“-Szene in Göttingen durch unseren Beratungsstellen-Arzt, Thorsten Domeyer, gehört: Die Szene der Heroin-User halte sich von den „Flexern“ fern, „die sind uns zu krass drauf“. Seitdem haben wir erwartet, dass die Droge auch im Untereichsfeld ankommt. 2020 hatten wir einen aus Göttingen zurückkehrenden Klienten, der mit Schaudern berichtete: „Die Szene ist schrecklich, die bringen sich gegenseitig um!“ Von ihm erfuhren wir zudem, dass das Phänomen inzw. in Heiligenstadt angekommen war. Dieses Jahr erhielten wir die Information, dass auch im Untereichsfeld mit MDPV gedealt wird. Drogenkonsumenten nutzen es, weil es als „nicht nachweisbar“ gehandelt wird, preiswert und leicht verfügbar ist, kein Vorwissen darüber besteht, auf Partys stärkere Alternativen zu Ecstasy, den anderen Amphetaminen und „Crystal Meth“ gesucht werden. Die Fachstelle Sucht in Duderstadt hat allerdings bereits Tests für künstliche Cannabinoide und MDPV.

MDPV hat ein 30-fach höheres Suchtpotential als Kokain (das schon ein sehr hohes Suchtpotential hat) und birgt ein viel höheres Risiko, an Wahn und Halluzinationen (also einer Psychose) zu erkranken als bei anderen Stimulantien. Die Drogenberatungsstelle aus Göttingen erklärt: „Ab der zweiten Einnahme ist man abhängig.“ Auch ist es schwer zu dosieren, weil schon winzige Mengen eine heftige Wirkung haben. Im Rausch stehen im Vordergrund extreme Aggression, Schmerzunempfindlichkeit und Psychose. Selbst die Polizei haben wir als besorgt wahrgenommen bei der Aussicht, solchen Konsumenten gegenüberzustehen. Wir befürchten, dass die Beamten sich gegenüber dermaßen extremer Gewalttätigkeit letztendlich nicht anders als mit dem Gebrauch der Schusswaffe zu helfen wissen!

Bei regelmäßigem Konsum kommt es zu einem rasch fortschreitenden psychischen und körperlichen Abbau mit Obdachlosigkeit, weil etwa im Wahn die eigene Wohnung demoliert oder angezündet wird.

Weitere Nebenwirkungen, im Rausch und langfristig, sind schwere Herzerkrankungen (Herzrhythmusstörungen, Herzmuskelentzündungen, Atemnot, Herzinfarkt), gefährliche neurologische Ausfälle (Gedächtnislücken, Hirnödeme, Schüttellähmung, epilepsieartige Krampfanfälle, Schlaganfall) und psychische Notlagen (Panik, Verwirrtheit, Schlaflosigkeit, Suizid und die Unfähigkeit, Freude zu erleben). Eher unangenehm sind Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, übler Körpergeruch, Abszesse oder Gasansammlungen in der Unterhaut, lebensgefährlich hingegen akutes Nierenversagen, Leberzerfallskoma, Überhitzung und Entwässerung des Körpers, Blutungen, Thrombosen und Embolien. Zudem entstehen Haut- und Muskelentzündungen, das Gewebe ganzer Arme oder Beine stirbt ab und zerfällt.

Wir als Suchhilfe bewegen uns mit unserer Warnung auf dünnem Grat, denn diejenigen, die aus einer inneren Not und großem Wagemut heraus MDPV konsumieren möchten, werden jetzt denken: „Klingt ja cool!“ und „Mir passiert das schon nicht…“ – im Sinne von Schadensbegrenzung und „safer use“ würden wir dagegenhalten: „Wenn es schon der Rausch sein muss, dann bloß nicht mit MDPV, „Flex“ oder „Spice“!“

Noch besser funktioniert das Leben aber ohne Rausch, und wir beraten gerne, wie man glücklich von Suchtmitteln wegkommt!

Friederike Smilge und Jens Klie
Fachstelle für Sucht und Suchtprävention im Caritas-Centrum Duderstadt

Medienbericht

Suchtberaterin im Interview: „Duderstadt und das Eichsfeld sind überwiegend Cannabis- und Amphetamine-Land“, GT/ET+ vom 02.10.2023